Donnerstag, 31. Dezember 2009

Albert Camus - Der Fremde

"Als hätte dieser große Zorn mich von allem Übel gereinigt und mir alle Hoffnung genommen, wurde ich (...) zum erstem Mal empfänglich für die zarte Gleichgültigkeit der Welt. Als ich empfand wie ähnlich sie mir war, wie brüderlich, da fühlte ich, dass ich glücklich gewesen war und immer noch glücklich bin."

Die Bestätigung dafür:
"Am Tag meiner Hinrichtung viele Zuschauer, die mich mit Schreien des Hasses empfangen"

Der Fremde bin ich.
Ich bin die Fremde.
Fremd in dieser dieseitigen Welt.
Die Anderen sind die Gesellschaft.
Sie fällen die Urteile.
Ich bin unschuldig schuldig.
Erst hoffnungslos fühle ich das Glück.
Erst indem mir alles egal wird, die Urteile der anderen gleichgültig werden, empfinde ich Gelassenheit.
Die zarte Gleichgültigkeit der Welt kennt keine Zeit.
Auch der Jahreswechsel interessiert sie nicht.
Entscheidend ist das Ende.

Doch die erreichte Gelassenheit funktioniert nur im Kopf.
Der Körper braucht das Gefühl.
Du brauchst den Exzess, um deinen Körper zu fühlen.
Denken versus Fühlen hat kein Ende.

Die beste Zusammenfassung zum Buch gibts hier. Ein Auszug.
„Das Verhalten der zentralen Handlungsfigur Meursault ist von provozierender Gleichgültigkeit gegenüber aller Welt geprägt, einer Gleichgültigkeit, welche die von einer desaströsen Kriegsniederlage gepeinigten Franzosen entspannen half. Die Handlung von "L'Etranger" ist von stoischer Gelassenheit geprägt und verbietet sich eine jede Aufgeregtheit. Ja! Jegliche Aufgeregtheit verbietet sich zwingend, widerspiegelt der Roman doch jene zärtliche Gleichgültigkeit einer materiell verdichteten Welt, die mit dem Menschen in ihr nichts zu schaffen hat. Gott ist tot? Ach, diese Frage ist unbedeutend. Für Meursault gibt es nur eine einzige Gewissheit, an die er sich hält: Die Existenz der Welt. Eine Welthaftigkeit ohne Sinn noch Zweck, welche in ihrer blanken Nacktheit einfach nur existiert. Inmitten ihrer lebt arm und einsam Meursault, so ziel- und zwecklos in all seinem Gebaren wie das Dasein, dessen Leere sein Geist atmet. Ein Held des Absurden, der für sich die metaphysische Zwecklosigkeit allen menschlichen Strebens erkannt hat und doch - darin begründet sich sein Heroismus - wider bessere Erkenntnis am Leben bleibt, gegen die nichtende Wirkkraft des allgegenwärtigen Nichts revoltiert. Sittenordnung, Bräuche, Leidenschaften und all die Symbole menschlicher Sinnbestimmungen, der ganze metaphysische Überbau, welcher seine Mitmenschen in geschäftiger Bewegung hält, sind für Meursault ohne Belang. Die sinnstrukturierte Wirklichkeit der Alltagswelt ist nichts als Schein und Trug, gesellschaftliche Konstruktion, um nicht begreifen zu müssen, was einfach nur ist - ohne jeden Sinngehalt einfach nur ist. In diesem Geflecht menschlicher Sinnkonstruktionen bewegt sich Meursault wie ein Fremder, der mangels innerer Anteilnahme gleichzeitig anwesend wie abwesend ist. All sein Tun und Unterlassen ist verwurzelt in tief empfundener Gleichgültigkeit gegenüber dem Diesseitigen, ohne dass es für ihn den Glauben an ein Jenseitiges geben würde. Und diese - gewiss amoralische - ästhetisierende Liebe zum sinnlich empfundenen Leben, zum Diesseits war es dann wohl auch, die Camus dazu bewog, in einer Welt ewigen Todes ein Bekenntnis zu diesem Leben abzugeben, wie es auch sein literarisches Geschöpf Meursault, angesichts seiner bevorstehenden Hinrichtung, gegenüber einem Priester als seine Lebensbeichte ablegt."



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