Sonntag, 8. August 2010

Erkenntnisse vom Suff-Matsch-Schlamm Antifestival - SMS 2010

Wie die meisten von euch wissen, war ich am Wochenende beziehungsweise Freitag und Samstag auf der SMS in Thüringen. Eigentlich hatten wir uns das ganz nett vorgestellt. For Free hinfahren, for free saufen und essen, backstage und am Strand lesen, chillen, baden, Peaches sowie Kruder und Dorfmeister sehen, heimatlich tanzen im Munazelt und am Strand 22, ein bisschen filmen. Naja, uns war schon klar, dass das Publikum aus 80 hochprozentigen Prolls, Spasten und Tussen bestehen würde, aber was dann passierte, sprengte unser Vorstellungsvermögen dermaßen, dass DT64 die Kinnlade über 48 Stunden nicht schließen konnte. :D
Man hatte uns bereits vorgewarnt, dass durch Dauerregen landunter auf dem Gelände der Bleillochtalsperre vorherrscht, sodass wir uns kurzfristig und auf die letzte Minute kurz vor acht, das letzte paar Gummistiefel in einer bekannten Schuhkette Jenas sicherten. "SMS?," fragte die Verkäuferin - "das allerletzte Paar" glücklicherweise in Maggs Größe! Im Nachhinein nicht vorstellbar, hatte es nur noch kleine Größen gegeben. Gegen 22 Uhr kamen wir dann bei anhaltenden strömendem Regen in Saalburg an, unsere Zelte, in denen wir pennen sollten, standen längst unter Wasser, das Barbecue kalt. Drauf geschissen, Gummistiefel an und los! Schon beim ersten Gang übers Gelände war uns klar, wir sind hier Fremdkörper. Überall gröhlende und besoffene, zugekokste Bodybuilder-Prolls, die sich gegenseitig in den Schlamm zu schmeißen versuchen. Typen, die sich Paul Kalkbrenner als Ein-Wochen-Tattoo quer über die Schädel-Stirn-Partie tätowieren lassen, natürlich weil der Film Berlin Calling "so cool" gewesen ist. Ebenso abstrakt die Aussage: "Schon schade, dass die Loveparade nicht mehr in Berlin ist" - Mag und ich sehen uns an und können es immer wieder nicht fassen, in welcher Parallelwelt wir uns gerade befinden. Spätestens beim Auftritt von David Guetta, dem Headliner der Massenveranstaltung, der mit Laser und Nebelriesen eine Scooter Hommage abliefert, ist uns klar: Wir wollen jetzt und auf der Stelle zurück: "zurück in unsere Blase". Doch wir bleiben, pennen sehr bequem im Auto, von dem wir nicht wissen, ob es jemals wieder diesen halbmetertiefen Schlammparklatz verlassen wird.
Am nächsten Tag laufen wir morgens übers Festivalgelände. Überall stinkt es nach Scheiße und Schmodder, immer wieder fühle ich mich wie in einem schlecht kopierten Anselm Kiefer Gemälde und Magg kann sich jetzt vorstellen, wie es sich wohl nach dem Krieg angefühlt haben muss. "Es fehlen nur das Blut und die Leichen im Schlamm", sagt er. Lebende Leichen gibt es jetzt genug zu sehen. Sie bewegen sich stämpfend und auf in Müllbeutel gehüllten Buffalos im Technotanzstil der 90er im Tristesse und Grau der SMS. Am Strand sind bereits alle Palmen umgekippt. Das Wasser kommt durch den andauernden Regen immer näher Richtung Strand 22, dem einzigen Vakuum, unserer Rettungsstelle, was Stimmung und Athmosphäre angeht. Wir tanzen ein Stündchen im einzig liebevoll dekorierten Basttempel und überlegen uns, wie das jetzt hier weitergehen soll. Wir müssen erstmal hier weg, wenigstens kurzzeitig diese jämmerliche Veranstaltung verlassen, um uns zu regenerieren. Ein Dorfbäcker in Saalburg entschädigt uns der Provinzialität des Festivals durch leckeren Mohnkuchen nach Omas Art. Wenigstens das funktioniert immer auf dem Dorf. Vorbei an etlichen Polizeikontrollen, die Menschen und ihre Fahrgestelle komplett auseinandernehmen, denken wir uns, dass diese unkontrollierten Spinner es verdient haben, hochgenommen und schikaniert zu werden.
Gegen Mittag kommt wenigstens die Sonne raus und der zentimeterdicke Schlamm auf Antjes Gummistiefeln fängt kurzzeitig zu trocknen an, als wir mit den Leuten von Tape TV bei Matthias DjWorkshop abhängen. Erneut und diesmal mit Kamera bepackt, laufen wir in Richtung unterirdisch schlecht organisiertes Festivalgelände, vorbei an unzähligen kieferfasching feiernden Security, die kein einziges Wort mehr rausbringen, geschweige denn irgendeine Ahnung von dem Organisatorischem auf dem Gelände haben. Sie geben nur noch Affenlaute von sich und sehen ebenso aus. Wir kennen auch im Hellen hier niemanden, außer Leute aus dem Backstage, die wir ab und an treffen. Ich mein, das ist die Heimat, Thüringen, quasi um die Ecke von Gera und Jena und doch: Niemand aus unser beider Freundeskreisen würde auch nur auf die Idee kommen, hier hin zu fahren und für diesen Dreck Geld auszugeben.
Die uns fremden Lebewesen, schmeißen sich bei jeder Gelegenheit vor unsere Kamera: "Komm ich jetzt ins Fernsehen?" ist die ernstgemeinte Standardfrage dieser Spinner. Keiner von uns beiden besitzt schon seit etlichen Jahren mehr ein solches Gerät und die Tatsache wird greifbar , dass es sich hier um die klassischen BigBrothergucker und RTLII Daueruser handelt. Es ist für le Mag fast unmöglich bestimmte Einstellungen zu machen, weil sich immer wieder neue Spasten vor seine Linse pressen, Grimassen schneiden, selten behindert Grinsen, dämlich Winken, wie wenn die Wetten-Dass-Kamera durchs früher durchs Publikum schwenkte und dermaßen prollposieren, dass ich fast kotzen muss. Für unglaubliche Zehn Euro und ein T-Shirt von Unteilbar slidet einer dieser Techno-Tiere auf Koks mit Bierbauch durch den, wie gesagt knietiefen Morast. Ich denke, das ist Aussage genug. Es sind unglaubiche Bilder, die sich hier in unserer beider Hirne einprägen. Wir sind unter Irren. 80 Tausend. Ohne Ausnahmen.
Nun, wir drehen weiter, bekommen unsere Einstellungen und wandern ein letztes Mal zum Strand 22 runter. Dort angekommen, scheint die Sonne durch das Stroh, das DJ Pult zum Wasser gewandt, ist die Stimmung erträglich, ja wandelt sich dank juter Musik von Jekyll&Hyde aus Dresden und Livevocals von Fabian zum Normalzustand bis leichter Gutgelauntheit um. Auch DT64 wird von Sound gepackt und plötzlich sind wir da. Haben Spass. Lachen. Tanzen. Against the fucking SMS am lovely Strand 22. Ein gutes Video wird das geben. Ich habs im Gefühl. Ein Schuss Pheromone tut den Rest dazu, dass ich gegen Sieben in Richtung Berlin auf dem Beifahrersitz grinse, während Maggi fahrt und wir beide Berlin entgegensehnen. Endlich wieder normale Menschen, die ebenfalls Drogen konsumieren, aber herrlich normal sind, in dieser, unserer Blase Berlin. Als wir die Autobahn abfahren, durch Tempelhof Richtung Kreuzberg, spricht Maggi mir aus der Seele. Unser Heimat ist uns fremd, die Fremde unsere Heimat geworden. Hier wollen wir bleiben. Vielleicht auch für immer.
Berlin, you are my Life!


6 Kommentare:

  1. Mit uns seid ihr eeeh besser aufgehoben ihr Knalltüten..

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  2. GENAU so hab ich mir das immer vorgestellt.Genau SO!

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  3. Voll behinderte Spastis wa? Willkommen in der deutschen (Proll)-Realität.

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  4. Berlin hat sowas aber auch zu bieten, geh mal nach Hellersdorf, Lichtenberg oder auch nur Weißensee... (dort siehe Hattrick Wetten Shops)

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  5. komm mal in die bar liebfrau! du fehlst da.

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  6. Ey Alte, liebe Gruesse aus dem hohen Norden! Du bekommst noch ne fette Postkarte von mir, versprochen! xxx

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