Mittwoch, 25. August 2010

Ah ja, Weltreise. Cool. - War ja klar.

Die ganze Zeit vegetiert man hier in Berlin liebestechnisch vor sich hin. Auf der nichtsuchenden Suche nach einer nächsten funktionierenden Beziehung, pendelt man von ungewollt von Fick zu Fick in der Hoffnung, dass es mit irgendjemandem vielleicht mal wieder ernster wird, als nur die gratis Löffelchen-Heizung, die man seit Jahren so vermisst hat und die dann doch viel zu wenig Wärme abstrahlt.
Doch dann triffst du ihn, den Typ deiner Träume. Er sieht in deiner verzerrten Wahrnehmung nicht nur phänomenal gut aus, nein, er ist auch noch megaintelligent, hat sein Studium beendet und hängt nicht mehr in nervigen Selbstfindungsprozessen eines Twentysomething fest. Ihr mögt ganz zufällig den selben Mainstream, die gleichen Clubs, habt ähnliche Ansichten vom langweiligen und problemlosen Leben in dieser westlichen Welt. Ihr seid euch einig, dass man zuviel Fleisch isst und teilt euch den nächsten Bürger vom Bürgeramt. Die einzigen Dinge, die euch unterscheiden, machen euch nur noch mehr an, das anziehende Gegenüber noch interessanter. Nichts zwischen euch ist komisch, man fühlt sich vertraut, kann sich fallen lassen, ohne an den betonharten Boden der letzten Enttäuschung zu denken. Eines Netztes und eines doppelten Bodens bedarf es seltsamerweise auch nicht, obwohl die mittlerweile eigentlich zum Savetymuss eines Mittezwanzigers gehörten, wie Kondome mit Bananengeschmack. Man ist seltsam entspannt, ohne auch nur einmal den anderen nach behinderten Gewohnheiten abzuscannen. Alles zwischen euch ist perfekt und könnte insgesamt nicht besser sein.
BIS AUF:

Er wird dich in 3 Wochen verlassen und geht für ein Jahr auf Weltreise. War ja klar.

Es musste ja so kommen. Es ist immer so.
Warum ist das immer so?

Die Erklärung ist gar nicht so schwer, wenn man mal ehrlich zu sich selbst ist. Die Person, die uns jetzt gerade als der perfekte Partner erscheint, wird uns in absehbarer Zeit verlassen, das heißt, sie stellt keine akute Gefahr für unser gewachsenes, heiliges, unabhängiges, freiheitsliebendes Single-Selbstbewusstsein dar. Die Distanz, die immer dann von uns selbst produziert wird, wenn uns jemand zu nahe kommt, wird durch äußere Umstände geschaffen. Sie ist unweigerlich schiksalshaft vorgegeben, wenn auch in einem allzu derben Maß, denn ein Jahr ist verdammt lang und alle Beteiligten, wissen, dass das niemals gutgehen kann. Wir werden deshalb dann meist höchst dramatisch, obwohl wir unterbewusst ein bisschen froh sind, dass die Gefahr einer erneuten Enttäuschung auf schicksalshafte Weise gebannt ist. Natürlich will man es ausprobieren, natürlich könnte das die ersehnte Chance sein. Aber was solls. So ist das Leben und das heißt, man hat jetzt gar keine andere Möglichkeit, als sich jetzt mal so richtig derbe der Sache hinzugeben, weil man sowieso nichts von seinem Selbstbewusstsein verlieren kann und dabei für einen kurzen Moment doch alles gewinnen kann.

Mal schnell abgetippt mit herzlichsten Grüßen nach Vancouver.

3 Kommentare:

  1. Eine Weltreise bringt eines unausweislich mit sich: Da die Welt rund ist, führt sie immer wieder an den Ort zurück, wo sie begann. Und - siehe da - die Heimat fühlt sich auch nach einer Fahrt von 40,000 km Länge noch wie früher an.

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  2. Ja, so ist das; genauso. Eine dreiwöchige Beziehung mit Mindesthaltbarkeitsdatum. Dieses "ich wünsche es mir so sehnlichst, aber ich bin nicht bereit für Commitment". Das ist das schöne und das schreckliche daran, dass wir wissen, dass wir uns nur jetzt fallen lassen können, weil wir all die schwierigen Sachen nachher nicht mitmachen müssen.

    In einer Idealwelt ist es so; in einer Welt, wo wir uns nicht beim ersten Date darüber Gedanken machen müssen, ob wir für immer zusammen bleiben könnten oder ob man in 2 Jahren zusammen wohnen könnte. Kurz vorm Weggehen ist man so frei, so ungebunden, wie man nur sein kann. Ohne Rationalität gibt es keine Grenzen.

    Natürlich ändert es nichts an der Tatsache, dass wir jetzt auch so sein können wie wir sind: ohne Spielzüge, weil die Zeit knapp ist; ohne diese Hürden der Rationalität, weil wir sowieso nur mit unserem Bauch gerade denken können. Ich glaube, wenn uns nichts mehr festhält, dann sind wir so ehrlich wie wir nur sein können und da ist es ja auch kein Wunder, dass wir uns so unglaublich gut fallen lassen..

    Ich wünschte ich könnte die Zeit anhalten und für immer in diesem Zustand leben, die ganze Welt und ich in einer Phase von "ich bin bald weg, aber jetzt bin ich noch hier".

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  3. oh man, wie recht ihr alle habt.
    Und dennoch macht man sich vor, dass doch alles genauso ist, wie wenn man sich unter "normalen" Umständen kennengelernt hätte. Müssen wir wirklich immer das Licht am Ende des Tunnels erkennen können, um angstlos den sicher endenden Weg gehen zu können? Es ist leicht, es gibt uns die gewohnte Freiheit der Selbstbestimmung und schafft ein Gefühl der Sicherheit, nicht verletzt werden zu können. Schließlich steht das Ende fest. Aber irgendwie will ich das nicht wahrhaben. Der Tunnel soll nicht so kontrolliert enden. Das Licht soll ausgehen. Ich mache mir vor, dass ja doch noch so viel Zeit bleibt. Ich denke nicht an das Danach. Das gibt mir noch viel mehr Freiheit - denn so bleibe ich gedankenlos, zukunftslos und kann mich Allem hingeben. Drei Wochen - vielleicht fühlen sie sich im Nachhinein wie drei Jahre an, vielleicht prägen sie auch so und lassen den Rest des Jahres wie eine Woche vergehen. Lasst uns positiv denken und den Moment genießen - was ist schon morgen....

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